Sabine Stahl & Töchterchen Valérie

 

«Es ist nicht das Leben einer Prinzessin»

 

BRÜTTEN: Sabine Stahl ist die Frau an der Seite des Nationalratspräsidenten. An Anlässen zeigt sie sich wenig, auch mag sie selten mit ihrem Mann politisieren. Lieber lebt sie wie zuvor, so gut das eben geht.

Text: Melanie Kollbrunner

 

Valérie holt Wasser aus einem Eimer und transportiert den Becher mit Sorgfalt zum nächsten. Wenn Ferdinand oder Lilli vorbeikommen, dann putzt sie die Katzen mit einem nassen Küchenlappen. Klitschnass ist sie inzwischen, aber die Sonne scheint und es ist warm. Ihre Mutter sagt, sie schaue ihr gerne nachmittagelang bei ihren Machenschaften zu.

 

Keine hohen Sprünge mehr

Sabine Stahl ist 38, ihr Töchterchen nun anderthalb Jahre alt. «Musli» nennt sie sie in ihrem Berner Dialekt. Um sie kreist ihr Leben. Manchmal um die Arbeit als Junior-Product-Managerin bei einem Pharmaunternehmen, mittwochs und donnerstags. Dann geht Valérie in die Kinderkrippe. Und manchmal um ihre beiden Pferde. Dienstags und freitags kommt ihre Schwiegermutter. Das Reiten bedeutet Sabine Stahl viel, wie sie sagt. Früher ist sie an Wettkämpfen geritten, hohe Sprünge habe sie gemacht. «Für hohe Sprünge reicht es im Moment nicht mehr. Jedenfalls nicht, solange Jürg so oft ausser Haus ist.»

 

Manchmal, so glaubt sie, hätten die Leute ein falsches Bild von ihrem Leben. Sie sei in ihren Augen die First Lady, die nun in schönen Kleidern um die Welt reise und elegante Anlässe besuche. «Es ist nicht das Leben einer Prinzessin», sagt sie. Das sei gut so. Ihr Mann hätte sie gern öfter dabei an offiziellen Anlässen, sie aber will Valérie nicht häufiger fremdbetreuen lassen. Und ohnehin sei es ihr im Garten wohler als auf dem politischen Parkett. Wenn sie wieder einmal Ja sagt, dann gefällt es ihr eigentlich schon.

 

Die Krux mit den Kleidern

Der Empfang in der japanischen Botschaft zum Beispiel, die Teezeremonie, das sei wie eine kurze Reise nach Japan gewesen. Das mochte sie, obwohl sie im echten Leben nicht gerne verreist. Schon gar nicht länger als eine Woche: «Warum verreisen, wenn es hier so schön ist?» Auf eine Reise freut sie sich aber. Bald geht es nach Island, eine offizielle Präsidialreise, die traditionell auch einen Familienteil beinhaltet. Island hat Jürg Stahl für seine Frau ausgewählt, nach Island wollte sie immer gerne. «Die Natur, die Pferde. » Auch da wird das Paar die politische Spitze treffen und Schweizer Unternehmen besuchen, einige Einladungen und Termine wahrnehmen. Für Sabine Stahl bedeutet das jeweils auch Vorbereitung. «Ich bin manchmal unsicher, wie ich mich zu verhalten habe», sagt sie, obwohl unter den Begleitungen der Politiker meistens über neutrale Dinge wie Kunst oder Tourismus gesprochen werde. Hat sie mal nichts zu sagen, sagt sie eben nichts. «Am schwierigsten finde ich die Kleider», sie lacht, «langes oder halb langes Kleid, was soll das heissen?» Bedeute das nun glänzend, edel, eine Robe? Oder schlicht? Sie bestellt jeweils eine Schachtel voller Kleider im Internet, macht «Modeschau», wie sie sagt. Ihr Mann hält den Daumen hoch oder runter.

 

Zurückstehen für den Mann

Meist sind es Sportveranstaltungen, zu denen sie einwilligt. Sie bestimme, wann sie mitkomme. Überhaup sei sie eine emanzipierte Frau. Sie lebe ihr Leben weiter wie zuvor, auch wenn sich schon einiges verändert habe. «Jürg war immer viel unterwegs, in Bern und auch in seinen Funktionen im Sport. Mit dem Unterschied, dass ich dann auch wegkonnte, zu den Pferden meist.» Heute sei sie viel daheim, manchmal zu viel, dann falle ihr die Decke auf den Kopf, dann fahre sie für ein paar Tage zu den Eltern nach Bern oder sie kämen sie in Brütten besuchen.

 

Aber ihrem Mann im Weg zu stehen, jetzt, wo er diese Chance bekommen hat, das wäre nicht infrage gekommen. «Er hat so hart dafür gearbeitet.» Aber es sei seine Welt, nicht ihre. Sie sei auch nicht in seiner Partei. Aber die grosse Linie, die Werte, die würden sie schon teilen. Traurig ist Sabine Stahl nicht, wenn das Jahr um ist. «Ich werde mich auch in der zweiten Halbzeit nicht daran gewöhnen, dass morgens oft der Chauffeur anrollt. Aber es wäre nicht anders möglich bei den vielen Terminen.»

 

Mit Valérie glücklich

Eifersüchtig ist Sabine Stahl nicht. Sie sei höchstens manchmal ein kleines bisschen neidisch und hätte gerne mehr von ihm. Auch die Wochenenden richten sich nach seiner Agenda. «Es ist anstrengend, sich da hineinzuquetschen », aber es werde sich ja bestimmt ändern nach der Amtszeit im Dezember. «Bestimmt kennen auch andere Paare die Schwierigkeit, mit einem kleinen Kind noch Zeit für die Beziehung zu finden.» Die Stahls versuchen, sich mit gemeinsamen Essen Inseln zu schaffen. Sie kocht ihm scharfe Spaghetti bolognese, er grillt ihr einen Fisch oder lädt sie ins Restaurant ein.

 

Ein zweites Kind sei derzeit kein Thema. «Wir haben so ein Glück mit Valérie, sie ist so gut herausgekommen, so lieb, ich will das Glück nicht zweimal herausfordern », sagt sie. «Für mich stimmt es so wie es ist. Valérie profitiert viel in der Kita und ich kann mich im Beruf einsetzen und dabei noch ein bisschen Geld verdienen.» Wenn ihr Mann allerdings achtzig Prozent arbeiten würde, dann würde sie gern sechzig arbeiten. «Das wäre mein eigentlicher Wunsch. Auch für Valérie.» So oder so möchte sie irgendwann wieder mehr arbeiten. Und wieder mehr reiten. «Die Zeit der höheren Sprünge kommt schon wieder für mich.»

 

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