Halbzeit

 

«Mehr denn je der Tschüge»

 

BERN/BRÜTTEN Halbzeit im Amt des höchsten Schweizers: Jürg Stahl in 50 Antworten zum Cordon bleu mit Helene Fischer, zu Selbstzweifeln und zum Leben «im Schaufenster».

 

Interview: Melanie Kollbrunner

Foto: Beat Mathys

Mittwoch, 10. Mai 2017

 

Herr Stahl, wie ist die Luft da oben?

Jürg Stahl: Wunderbar, diese Berner Luft.

 

Was hat die Prominenz mit Ihnen gemacht?

Kaum etwas. Ich muss mich noch mehr um Gelassenheit bemühen, vielleicht grad deshalb bin ich hier in diesem Schaufenster mehr Tschüge denn je.

 

Der grösste Vorteil?

Ich werde rundum entlastet, das schafft mehr Freiräume, als ich sie je hatte.

 

Der grösste Nachteil?

Ich bekomme so viele Anfragen und Einladungen, dass ich Menschen enttäuschen muss.

 

Wie nimmts die Familie?

Töchterchen Valérie unterscheidet nicht, ob Papi Nationalratspräsident ist oder nicht. Ich fordere Zeiten nur für sie ein. Meine Beziehung zu Sabine kommt zu kurz, leider.

 

Und die Freunde?

Ich habe meine Freunde nicht vergessen, ich weiss genauer denn je, wer sie sind.

 

Wann waren Sie zuletzt in der Brüttemer Männerriege?

Vorletzten Donnerstag.

 

Und am Höck?

Im Herbst.

 

Was ist Ihnen heilig?

Ein Familientag am Wochenende ohne Handy, ohne Termine.

 

Was ist scheinheilig?

Leute, von denen ich höre, sie würdens dann schon hinbekommen, dass ich Zusagen mache, weil sie mich ja so gut kennen würden. Heuchler.

 

Was hat sich verändert?

Das Tempo, der Rhythmus, vieles läuft parallel. Man muss fit sein, um das prästieren zu können.

 

Was enttäuschend?

Das Olympia-Nein der Bündner.

 

Was ärgerlich?

Ärgerlich? Nennen Sie mich Schönwetterpräsident, aber ich hab noch immer keine Feinde.

 

Wovon träumten Sie, als Sie ein kleiner Junge waren?

Ich wollte Bauer werden. Aber ich hatte Angst vor den Kühen.

 

Und wovon träumen Sie heute?

Von Olympischen Spielen in der Schweiz.

 

Was erträumen Sie sich für Ihre Tochter?

Dass sie ihr fröhliches Wesen nie verliert.

 

Und für die Schweiz?

Stabilität, Sicherheit, wirtschaftlichen Erfolg.

 

Was wünschen Sie dem Nachbarn Frankreich?

Dass er sich wieder auf seine Stärken konzentriert. Etwas mehr mediterrane Gelassenheit wäre zu wünschen.

 

Was sagen Sie zur Wahl?

Regieren ohne echte Mehrheit? Schwierig. Macron soll sich bloss nicht zu wichtig nehmen jetzt. Er war ja nicht Wunschpräsident, die Mehrheit wollte nur Le Pen nicht. Ähnlich wie bei den letzten Wahlen der Franzosen.

 

Wenn Sie über Nacht etwas verändern könnten, was wäre es?

Dass wir alle den Leuten, die viel krampfen in unserem Land, mehr Dankbarkeit zeigen.

 

Wann gehen Sie schlafen?

Zwischen elf und halb zwölf. Wenn es wie beim Sechseläuten Morgen um vier wird, dann kipp ich mit meinen 49 Jahren aus dem Rhythmus.

 

Wann stehen Sie auf?

Zwischen sechs und halb sieben.

 

Das beste Gefühl seit Ihrem Amtsantritt?

Als mir geistig beeinträchtigte Kinder der Special Olympics ein Gemälde gemalt und gebracht haben mit den olympischen Ringen drauf, da versagte die Stimme, als ich mich bedanken wollte.

 

Das schlechteste?

Der Tag der Abstimmung über die Altersreform. Für mich als SVPler eine schlechte Vorlage, für den Bundesrat aber war sie wichtig. Wenn es noch knapper geworden wäre und ich den Stichentscheid gehabt hätte, hätte ich unmöglich im Sinne des Bundesrats reagieren können, obwohl man mir das übelgenommen hätte. Kein gutes Gefühl.

 

Wohin gehen Sie in die Ferien?

Im Sommer nach Arosa und in der präsidialen Reise, die ich mit meiner Familie machen darf, nach Island.

 

Was schauen Sie im Fernsehen?

Sport, das braucht manchmal Überzeugungsarbeit bei Sabine. Oder Krimis. Und morgens mit Valérie «Bibi Blocksberg».

 

Sie lesen noch immer Krimis?

So oft ich kann.

 

Welcher Radiosender lief grad?

SRF 1.

 

Welchen Song würden Sie sich da wünschen?

Jeden von Eros Ramazzotti oder Helene Fischer. Ui. Sehr soft, ja.

 

Was nervt?

Wichtigtuer.

 

Gabs Fake-News?

Nein. Die Unaufgeregtheit, die ich anstrebe, zeichnet sich ab.

 

Braucht die Schweiz Einwanderer?

Wenn jemand etwas substanziell beitragen kann, soll er kommen. Profiteure brauchen wir nicht.

 

Was hält Sie nachts wach?

Die Frage danach, ob ich es wirklich richtig mache.

 

Selbstzweifel?

Ja. Manchmal.

 

Was beruhigt Sie?

Valérie. Besonders wenn sie wach wird und strahlt. Heute haben beide noch geschlafen, als ich gefahren bin.

 

Ist der Chauffeur nett?

Es sind mehrere. Ich glaube schon. Sicher diskret, oft ist es ruhig im Auto, ich geniesse das.

 

Wer kennt Sie im Bundeshaus am besten?

Thomas Hurter und Ueli Maurer.

 

Wo bleiben Sie, wenns spät wird in Bern?

Im Hotel Bellevue, immer im selben Zimmer nahe der Sauna.

 

Sie essen im Fédéral?

Ja. Obwohl ich froh bin um jedes Essen, das ausfällt, für meinen Bauch, meine ich.

 

Was bestellen Sie für die Seele?

Das Filet vom Rindlein oder das neue Cordon bleu.

 

Mit wem würden Sie gern mal so ein Cordon bleu essen?

Mit Helene Fischer. Sie freut mein Ohr und mein Auge.

 

Wem sollte Ihre Tochter nie begegnen?

Dem Tiger und der Schlange. Die findet sie nämlich herzig.

 

Und Sie?

Ich schliesse niemanden aus.

 

Auch heikle politische Partner nicht?

Nein.

 

Was bereuen Sie?

Ich war nie lange im Ausland.

 

Was raten Sie der Nachfolge?

Die braucht keinen Rat. Wenn doch, hab ich ein offenes Ohr.

 

Worauf möchten Sie im November zurückschauen?

Auf eine korrekte Amtsführung.

 

Und wenn Sie alt sind?

Auf gesunde Jahre. Auf die Menschen, die mich heute bewegen, auf all diese Begegnungen.

 

Links / Downloads